Die Abschaffung des Sozialstaates

Die verdeckte neoliberale Strategie des Wassermann

Ich habe immer wieder in astrologischen Kreisen darauf hingewiesen, daß die Wassermann-Energie keine sensiblen Anteile enthält. Wassermann ist nicht human, nicht sozial, nicht freundschaftlich oder sonstwie mitmenschlich orientiert, sondern egozentrisch und sozial distanziert. Das ist kein Vorwurf – es ist die notwendige Art der Wassermann-Energie, so zu wirken. Sie dient damit der Freiheit und der Selbstverwirklichung des Individuum.

In astrologischen Kreisen gilt die Wassermann-Energie zusammen mit der Fische- und Skorpion-Energie als kosmische bzw. geistige Energie und vor allem als überpersönlich. Auch das ist ein grundlegender Irrtum. Überpersönlich wirkt nur die Fische-Energie. Fische sind idealistisch ausgerichtet und vermitteln das Bedürnis nach Solidarität und Allverbundenheit. Skorpion dient letzlich nur der emotionalen Befestigung der Tierkreis-Energien in der Tiefe der Persönlichkeit und ist damit nicht speziell überpersönlich ausgerichtet. Die Wassermann-Energie aber ist superpersönlich! Von dieser Energie bestimmte Menschen sind immer sehr egozentrisch eingestellt und legen großen Wert darauf, ihre Besonderheit zu leben.

Die andere Behauptung, daß die Wassermann-Energie zu den geistigen Energien gehört, verstellt den Blick auf die Tatsache, daß die Menschen unter Wassermann-Einfluß an der körperlichen (sichtbaren) Oberfläche des Lebens interessiert sind. Diese Beobachtung hat insofern die Logik auf ihrer Seite, weil die Wassermann-Energie ihre Experimentierfreudigkeit vor allem auf einer körperlich-sichtbaren Ebene verwirklichen kann. Seelische und transzendente Phänomene entziehen sich weitgehend einem Experiment. Auch an dieser Ausrichtung des Wassermann soll hier keineswegs Kritik geübt werden: Wenn die Fische-Energie zur Verinnerlichung drängt, muß es auch eine Energie im Tierkreis geben, die für die Veräußerlichung zuständig ist, und das ist die Wassermann-Energie. Fische stehen für Idealismus, Wassermann für Materialismus. Der Wassermann kann zwar von der Methode her geistige Prozesse anregen (zusammen mit Fische und Jungfrau), vom Ziel her ist er aber keine geistige Energie.

Nach dieser Klarstellung dürfte vielleicht verstanden sein, daß die Spannung zwischen der Fische- und Wassermann-Energie für das menschliche Leben grundlegenden Charakter hat. Das gesunde Leben ist also nur möglich, wenn beide Energien in einem ausgeglichenen Verhältnis zum Zuge kommen. Was aber passiert, wenn diese Balance nicht gelingt? Ich behaupte, daß genau das häufig der Fall ist und daß in der heutigen postmodernen Gesellschaft die Fische-Energie von der Wassermann-Energie sogar weitgehend verdrängt worden ist. Es ist also mit einer Überbetonung von Egozentrik und Verdinglichung auf Kosten von Solidarität und Verinnerlichung zu rechnen. Deutlicher ausgedrückt: die postmoderne westliche Gesellschaft wird charakterisiert durch Materialismus und Rücksichtslosigkeit.

Das hat Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens, gesellschaftlich wie auch privat. An dieser Stelle soll jetzt aber nur erörtert werden, welche Konsequenzen für eine Wirtschaftspolitik zu erwarten sind, insbesondere für die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland und der Euro-Zone.

Es ist kein Geheimnis, daß wir in einer kapitalistischen Wirtschaftsform leben, was kurz gesagt darauf hinausläuft, daß die Besitzer des Kapitals mit ihren Interessen Vorrang vor den Interessen der Nichtbesitzer von Kapital, also der Arbeitnehmer, haben. Unsere Eigentumsordnung begünstigt die Kapitalisten, die ständige Geldvermehrung ist wichtiger als der Mensch. Es gibt nun aber große Unterschiede in den kapitalistischen Systemen, je nachdem wie weit diese Begünstigungen der Kapital-Seite bzw. Benachteiligungen der Arbeitnehmer-Seite gehen.

Astrologisch gesehen hängen diese Unterschiede letztlich davon ab, wie stark sich die Wassermann-Energie auf Kosten der Fische-Energie durchgesetzt hat. Wir müssen uns dabei bewußt machen, daß unter Wassermann-Einfluß eine liberale Marktwirtschaft entsteht, die durch das Streben nach Selbstverwirklichung im Kampf aller gegen alle zu großen Einkommens- und Macht-Unterschieden führt. Die Fische-Energie versucht diese Unterschiede nachträglich zu egalisieren, damit der Zusammenhalt der Gesellschaft nicht verloren geht. Sie sorgt also in Verbindung mit der Steinbock-Energie für den Sozialstaat.

Hier lohnt sich ein historischer Exkurs: Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts haben gewissermaßen das Konkurrenzprinzip des Kapitalismus auf die Spitze getrieben und damit unvorstellbare Zerstörungen angerichtet. Das heißt aber nicht, daß die dahinter stehenden wassermännischen Kräfte, also die Geld- und Machteliten der Gesellschaft, die Großkonzerne, Banken, Gutsbesitzer, Adel und Militär, die alle den Krieg gewollt hatten, anschließend ihre maßlose materialistische Gier eingesehen hätten und zu entsprechenden gesellschaftlichen Veränderungen im Sinne des Fische-Prinzips bereit gewesen wären. Ganz im Gegenteil: Es begann sofort die Restauration der Verhältnisse. Aber mit bezeichnenden Unterschieden:

Nach dem 1. Weltkrieg verloren die konservativen Kräfte in Deutschland überhaupt keine Zeit und versuchten sofort, den kleinen revolutionären Umschwung, den es 1918 gegeben hatte, wieder rückgängig zu machen. Dabei kam ihnen die rechte sozialdemokratische Regierung unter Ebert, Scheidemann und Noske zu Hilfe, die aus Angst vor einer wirklichen Revolution und den damit verbundenen Verwerfungen in der Gesellschaft den alten kaiserlichen Beamtenapparat bestehen ließ und gerade das Militär in Gestalt der reaktionären Freikorps mit der Aufgabe betraute, die linken Sozialdemokraten zu bekämpfen. Durch diese Politik kam es natürlich nicht zu durchgreifenden Veränderungen in den Eigentums- und Machtverhältnissen. Die Feinde der Weimarer Republik gewannen immer mehr die Oberhand und konnten am Ende sogar eine faschistische Diktatur installieren, die in den 2. Weltkrieg steuerte.

Nach dem 2. Weltkrieg war die Situation für die konservativen und liberalen Kräfte sehr viel schwieriger geworden. Eine Mehrheit im deutschen Volk, aber auch im europäischen Ausland, war der Ansicht, daß das kapitalistische System gründlich versagt hatte und letztlich die Schuld an der Kriegs-Katastrophe trug. Die Grundlage für eine wirtschaftspolitische Neuorientierung wurde schon 1944 mit dem Abkommen von Bretton Woods gelegt, unter maßgeblichem Einfluß des Ökonomen John Maynhard Keynes.

Außerdem war im Kampf gegen das Hitler-Regime ein kommunistisches System in Gestalt der Sowjetunion bis nach Mitteleuropa vorgedrungen und stellte gerade in Deutschland mit seiner Besatzungszone, der späteren DDR, den Anspruch, eine sozialere Alternative zum Kapitalismus aufzubauen. In dieser Situation konnte der Kapitalismus nur durch weitgehende Zugeständnisse gerettet werden. Das Ergebnis war die Errichtung eines Sozialstaats in der Bundesrepublik und in ähnlicher Form auch in anderen europäischen Ländern.

In der Bundesrepublik sprach man vom „Rheinischen Kapitalismus“, weil als Hauptstadt des neu errichteten Staates Bonn am Rhein gewählt wurde. Er war gekennzeichnet durch Tarifautonomie der Gewerkschaften, weitgehende Vollbeschäftigung, kontinuierliche Lohnzuwächse, Mitbestimmung in den Betrieben, Kündigungsschutz für die Arbeitnehmer, ein leistungsfähiges Sozialversicherungssystem und nicht zuletzt eine Rente, von der man im Alter leben konnte. Damit waren sicher nicht gerechte Verhältnisse etabliert worden. Die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößerte sich auch in der Adenauer-Zeit und die Macht- und Eigentumsverhältnisse wurden schließlich überhaupt nicht angetastet. Aber für die Arbeitnehmer wurde die Lage ebenfalls von Jahr zu Jahr etwas besser. Das führte zu einer gewissen Zufriedenheit im Volk. An der Parole "Wohlstand für alle", die Ludwig Erhard ausgegeben hatte, schien etwas dran zu sein. Und am Ende war es sogar möglich, daß zwei Kanzler der SPD (Willy Brandt und Helmut Schmidt) das Land regierten.

Es verbreitete sich eine Stimmung im Land, daß man glaubte, dem Kapitalismus seien die aggressiven Zähne gezogen worden. Klassengegensätze galten als ein gesellschaftliches Problem der Vergangenheit, man sprach jetzt von nivellierter Mittelstandsgesellschaft und Sozialpartnerschaft. Auch die Gewerkschaften waren der Ansicht, daß sich der Sozialstaat ständig weiter entwickeln ließe und Kanzler Brandt träumte sogar vom "friedlichen Hineinwachsen in den Sozialismus". Doch man sollte sich sehr getäuscht haben.

Die Zeiten änderten sich bereits in den 70-er Jahren nach der Regierungszeit von Willy Brandt. Dafür gab es mehrere Ursachen: Die Kulturrevolution der 68-er Studentenbewegung (nicht nur in Deutschland) mit ihrer Zuspitzung im Terrorismus der RAF hatte bei den herrschenden Eliten das dringende Bedürfnis nach einer roll-back-Strategie geweckt. Eine zweite Ursache für den politischen Gesinnungswandel (vor allem in Deutschland) entstand durch die Sorge, daß aufstrebende Entwicklungsländer wie China und Indien mit ihren Billiglöhnen und Exporten die deutschen Arbeitsplätze gefährdeten. Drittens war der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg ungefähr beendet und die damit verbundenen hohen Profitraten des Kapitals ebenfalls. Die ersten wirtschaftlichen Rezessionen (Ölkrisen) zeigten sich und die Eliten mußten sich eine andere Strategie für die Kapitalverwertung überlegen. Nach dem Rücktritt von Willy Brandt wurde Helmut Schmidt der erste Krisenkanzler. Helmut Kohl verkündete dann in den 80-er Jahren zusammen mit der inzwischen wirtschaftsliberal gewendeten FDP die "geistig-moralische Wende" und damit wurde das "Goldene Zeitalter" eines etwa 30 Jahre andauernden Wohlfahrtskapitalismus der Nachkriegszeit definitiv beendet.

Deutlicher ausgearbeitet wurden die Veränderungen in Deutschland während der Regierungszeit von Rot-Grün unter Kanzler Schröder von 1998 bis 2005. Unter dem Einfluß der dritten industriellen Revolution der Digitalisierung wurde die deutsche Wirtschaft mehr und mehr auf internationale Wettbewerbfähigkeit getrimmt. Dafür standen letztlich die Projekte Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze, die - ganz im Sinne einer Angebotsorientierung in der Wirtschaftspolitik - die Steuerbelastungen der Unternehmen sowie die Kosten des Faktors Arbeit reduzieren sollten, um der deutschen Wirtschaft einen Exportvorteil zu verschaffen.   

Die 90-er Jahre waren auf der ganzen Welt von einem gewaltigen Veränderungssturm gekennzeichnet. In den ehemaligen Ostblock-Ländern wurde die Planwirtschaft auf Marktwirtschaft umgestellt, das Staatseigentum wurde privatisiert und ein entfesseltes freies Unternehmertum (Oligarchen) konnte sich ungebremst bereichern. In den kapitalistischen Ländern des Westens begann unter der Voraussetzung eines freien Kapitalverkehrs der Feldzug der Globalisierung. Drittweltländer wurden zur verlängerten Werkbank, einheimische Arbeitsplätze wurden aus Konkurrenzgründen ausgelagert oder wegrationalisiert, die Gewerkschaften wurden in die Defensive gedrängt und eine entfesselte Finanzindustrie, die Banken und Börsen zum Casino degradierte, jagte täglich elektronisch Hunderte von Milliarden an Geldern zur Profitmaximierung um den Globus.

Die normale Geschichtsschreibung bleibt die Erklärung schuldig, wie es möglich war, daß plötzlich ein ganz neuer Geist die Gesellschaften veränderte. Äußere gesellschaftliche Ursachen (Digitalisierung) reichen dafür nicht aus. Aus astrologischer Sicht gibt es aber durchaus einen sehr plausiblen Grund: Es war die Wassermann-Energie, die 1993 eine Konjunktion mit der Fische-Energie gebildet hatte. Diese Uranus-Neptun-Konjunktion in Steinbock, die sich dann mit der Rezeption von Uranus in Fische und Neptun in Wassermann etwa 20 Jahre lang fortsetzte, mußte den Konflikt dieser Energien auf die Spitze treiben.

Grundsätzlich geht es immer um eine Balance von Wassermann und Fische, wenn sich das gesellschaftliche Leben gesund entwickeln soll. Treffen diese beiden Energien aber unmittelbar aufeinander, dann besteht die Gefahr, daß eine Energie obsiegt und die andere völlig in den Hintergrund gedrängt wird. In den 90-er Jahren hat sich eindeutig die Wassermann-Energie durchgesetzt, und diese Entwicklung hält bis heute an.

Damit wurden im politisch-wirtschaftlichen Leben wieder Materialismus und Rücksichtslosigkeit zu den beherrschenden Prinzipien. Der Sozialstaat wurde zu einem Auslaufmodell erklärt, wie es kürzlich noch der Präsident der EZB, Mario Draghi, direkt ausgesprochen hat. Und im vereinigten  Deutschland machte der "Rheinische Kapitalismus" dem "Berliner Kapitalismus" Platz. In kritischen Kreisen sprach man allerdings eher vom "Turbokapitalismus" bzw. "Raubtierkapitalismus".

Natürlich konnten die Geld- und Macht-Eliten dem Volk nicht rundheraus erklären, daß sie von einer neu erwachten Gier getrieben wurden und deshalb den Sozialstaat, der nach dem 2. Weltkrieg aufgebaut worden war, abschaffen wollten. Es mußte ein Weg gefunden werden, die entsprechenden Veränderungen als von Sachzwängen bestimmt, also als "alternativlos", zu erklären. Astrologisch gesehen half ihnen dabei die verdrängte Fische-Energie, denn diese kann auch – besonders im Verbund mit der Jungfrauenergie (Chiron) und aus dem Hintergrund wirkend – sehr raffiniert eingesetzt werden.

Alles begann in den 70-er Jahren – vor der eigentlichen gesellschaftlichen Umkrempelung - mit einer neuen Wirtschaftstheorie von Milton Friedman und seinen "Chicago-Boys", die als Monetarismus bzw. als "angebotsorientiert" bezeichnet wurde und zunächst in den USA von Ronald Reagan und in England von Margret Thatcher übernommen wurde. Vereinfacht ausgedrückt lief sie darauf hinaus, die Angebotsseite (also das Unternehmertum) stark zu privilegieren, weil man behauptete, daß sich die Nachfrageseite automatisch einregulieren würde. "Jedes Angebot schafft sich ganz von selbst seine Nachfrage", so lautete das Glaubensbekenntnis in marktradikalen Kreisen. Und Kanzler Helmut Schmidt verkündete in Deutschland etwas naiv: "Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen, und die Investitionen von morgen sind die Arbeitsplätze von übermorgen". Milton Friedman war als tyischer sozialer Aufsteiger davon überzeugt, das Kapitalismus und Freiheit sich gegenseitig bedingen.

Die angebotsorientierte Wirtschaftslehre richtete sich ganz bewußt gegen den Keynesianismus, der die Schwäche der Nachfrage, also das Ungleichgewicht im Wirtschaftskreislauf, als den entscheidenden Grund für Rezessionen erkannt und dem Staat deshalb eine große Rolle bei der Bekämpfung von Wirtschaftskrisen zugewiesen hatte. Die neue Theorie forderte jetzt lediglich einen ausgeglichenen Staatshaushalt und argumentierte nun, daß durch die keynesiansiche Sozialpolitik die Staatsschulden angestiegen seien und ein beschäftigungspolitischer Effekt nicht nachweisbar sei. Reagan und Thatcher waren ausgesprochen sozialstaatsfeindlich eingestellt und es fiel der bezeichnende Satz: "Hungert das Biest (den Sozialstaat) doch aus!"

Im Grunde ging es aber um ein neuerwachtes Freiheitsbedürfnis, das in den 70-er Jahren zunächst die Wirtschaftswissenschaft und die angelsächsischen Staaten errreichte (Auflösung des Bretton-Woods-Währungsystem). Anschließend wirkte es sich in der Weise aus, daß sich in den 80-er Jahren die autoritären sozialistischen Staaten auflösten und in einem dritten Schritt ging es seit den 90-er Jahren schließlich darum, wirtschaftlich eine Rückkehr zu einer freien Marktwirtschaft ohne soziale Rücksichten zu etablieren. Der Kapitalismus sah sich als der Gewinner im Kampf der Systeme.

Die neu definierte Marktwirtschaft forderte Eigenverantwortung und Eigenvorsorge, einen Rückbau der sozialen Sicherungssysteme des Staates, Steuererleichterungen für die Wirtschaft, Verkauf von staatlichem Eigentum und die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. In totaler Marktgläubigkeit setzte man auf den ungeregelten Wettbewerb als allgemeines gesellschaftliches Ordnungsprinzip. Diese Freiheit bedeutete im Zuge der Globalisierung freien Welthandel und freien Kapitalverkehr, und damit wurden auch der international operierenden Finanzindustrie keine Grenzen mehr gezogen bzw. vorhandene Grenzen systematisch dereguliert.

Die neue Wirtschaftspolitik wurde von ihren Gegnern sehr zutreffend mit dem Begriff "Neoliberalismus" bezeichnet, was astrologisch gesehen die Dominanz des Wassermann-Prinzips ausdrückt.

In Deutschland wurden die Grundgedanken dieser Politik, wie bereits gesagt, vor allem unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder ins Programm genommen. Das war die Agenda 2010 in Verbindung mit den Hartz-Gesetzen. Deutschland verfolgte aber ein anderes Ziel als die USA oder Großbrittanien. In den USA ging es um hemmungslosen Konsum mit entprechender Verschuldung, in England um den Ausbau eines profitablen Finanzsektors, der City of London. Deutschland setzte jedoch auf Wettbewerbsfähigkeit und Exportstärke.

Dabei kam Deutschland die im Jahr 2000 gegründete Euro-Zone zugute. Die Währungsunion nahm den Mitgliedsländern die Möglichkeit, ihre Währung eigenmächtig abzuwerten. Das war in der Vergangenheit nämlich möglich gewesen und war immer wieder, vor allem in den südeuropäischen Ländern, als Waffe gegen eine übermächtige deutsche Exportwirtschaft eingesetzt worden. Diese Möglichkeit einer Gegenwehr gab es jetzt nicht mehr.

Deutschland, das auf Grund seiner Technologie ohnehin exportstark aufgestellt war, nutzte diese Situation von Anfang an aus, indem es sich zusätzliche Wettbewerbsvorteile gegenüber den Ländern der Euro-Zone verschaffte durch Lohndumping, Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, Änderung der Rentenformel, Schaffung eines Niedriglohnsektors sowie prekärer Beschäftigungsverhältnisse, Ablehnung eines Mindestlohns und vor allem durch eine radikale Zumutbarkeitsbestimmung im Hartz IV-Gesetz, das die Arbeitslosen praktisch zur Annahme jeder Arbeit zwingt, egal zu welchem Lohn und zu welchen Bedingungen.

Durch diese spezielle Form einer rücksichtslosen Konkurrenz (man spricht von "interner Abwertung" im Gegensatz zur äußeren Abwertung einer Währung) verstieß Deutschland bewußt gegen die Maastricht-Bestimmungen, in denen vereinbart war, daß jedes Land der Eurozone die Löhne um das Wirtschaftswachstum (Erhöhung der Arbeitsproduktivität gemessen in gestiegener Leistung pro Zeiteinheit) plus 2% Zielinflation steigen lassen sollte. Deutschland verstieß damit auch gegen sein eigenes Stabilitätsgesetz von 1967, das neben Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und Preisstabilität ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht als grundlegendes Wirtschaftsziel einforderte.

Da die südeuropäischen Länder ihrerseits die Löhne übertrieben angehoben hatten, wurden die wachsenden Exporte Deutschlands auf der anderen Seite zu entsprechenden Schulden der Importländer, die von deutschen (und anderen europäischen) Banken gegenfinanziert wurden. Die Südländer lebten damit über ihren Verhältnissen, Deutschland aber lebte, jedenfalls was die Arbeitnehmer-Einkommen betraf, weit unter seinen Verhältnissen. In den 14 Jahren seit der Einführung des Euro wurde auf diese Weise ein Exportüberschuß von 1,7 Billionen Euro angehäuft. Die realen Arbeitnehmer-Einkommen in Deutschland lagen dagegen 2014 im Durchschnitt unter dem Niveau des Jahres 2000. 

Dieser Handelsbilanzüberschuß wurde zum akuten Problem durch die Spekulationen des Finanzsektors. Als die Immobilien-Spekualtionsblase 2008 mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers in den USA platzte, gerieten auch die Banken in Europa durch faule Kredite in massive Schwierigkeiten. Das Finanzsystem drohte zu kollabieren und die Staaten sahen sich gezwungen, den Banken, die sich als "systemrelevant" darstellten, die Schulden abzunehmen.

Das hinderte allerdings die Banken im Verbund mit großen Finanzfonds nicht daran, anschließend gegen die nun hoch verschuldeten Staaten zu spekulieren. Sie bissen gewissermaßen die Hand, die sie zuvor gerettet hatte. Den verschuldeten Euro-Staaten, die ihre Staatsanleihen nicht mehr refinanzieren konnten (zunächst Irland, dann Griechenland und Portugal, inzwischen sind aber auch Spanien, Italien und sogar Frankreich in Gefahr), wurde durch sogenannte Rettungsschirme Hilfe angeboten. Die Bedingungen, die die Staaten für diese Hilfe akzeptieren mußten, waren immer dieselben: Senkung der Löhne, Entlassung von Staatsbediensteten, Kürzung der Renten und Sozialleistungen, Privatisierung von Staatsvermögen – also im Grunde das ganze neoliberale Instrumentarium, das zur Zerstörung des Sozialstaates führt.

Ich bin der Ansicht, daß diese Schwächung bzw. am Ende sogar die Zerstörung des Sozialstaates das eigentliche, hintergründig beabsichtigte Ziel des Neoliberalismus ist, wobei ihm die sogenannte Staatsschuldenkrise sehr gelegen kommt. In der Konsequenz bedeutet diese Strategie, daß die Staatsschuldenkrise so lange aufrecht erhalten werden muß, bis der Sozialstaat zerstört ist.

Der Weg in die Abschaffung des Sozialstaates läßt sich folgendermaßen beschreiben: Am Anfang standen die neuen Möglichkeiten einer internationalen Arbeitsteilung durch die digitale Revolution. Hinzu kam die Ideologie einer allgemeinen und umfassenden Liberalisierung der Gesellschaft, die vor allem den freien Kapitalverkehr der Finanzmärkte entfesselt hat. Anschließend wurde aus der maßlosen Exportoffensive einiger Staaten (vor allem von China und Deutschland) die ständig steigende Verschuldung der Importländer (vor allem der Südeuropäer), aus der wilden Spekulation der Finanzindustrie entstand die Bankenkrise, durch die notwendig gewordene Bankenrettung vergrößerte sich die Staatsverschuldung, die wiederum zur Spekulation der Finanzmärkte gegen die besonders betroffenen Staaten führte, und diese konnten schließlich nur gerettet werden zu Bedingungen, die die internationalen Geldgeber bestimmten. Auf diese Weise wurde der Abbau des Sozialstaates zu einem Sachzwang, der von der Politik als "alternativlos" behauptet werden konnte.       

Der Prozeß des Abbaus des Sozialstaates ist nach wie vor im Gange. Deutschland stellt sich dabei mit seiner Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen als Vorbild hin, macht als Hauptbürgschaftsland entsprechenden Druck und profitiert sogar von der Situation, da es mit seiner Exportstärke als sicherer Hafen gilt und entsprechend niedrige Refinanzierungskosten für seine Staatsanleihen zu tragen hat.

Die deutsche Wirtschaft hat sich mit ihrem Geschäftsmodell einer rücksichtslosen Exportorientierung zunächst in Stellung gebracht, hat die anderen Euroländer niederkonkurriert und auf diese Weise auch die Arbeitslosigkeit exportiert. Und Deutschland zwingt am Ende den unterlegenen Staaten in Europa seine Agenda-Politik und seine Hartz-Gesetze als Lösungsmodell auf (siehe Fiskalpakt). Das Zauberwort, nach dem sich alle Staaten richten sollen und das auch Angela Merkel ständig im Munde führt, heißt "Wettbewerbfähigkeit".

Wettbewerbsfähigkeit ist aber ein relativer Begriff. Es können nicht alle Länder dieser Erde gleichzeitig wettbewerbsfähiger werden. Immer muß es dann auch Länder geben, die weniger wettbewerbsfähig sind und die Waren und Dienstleistungen der stärkeren Länder aufnehmen. Gerade für die besonders betroffenen südeuropäischen Länder, deren Wirtschaft überwiegend binnenmarktorientiert ist, kann mehr Wettbewerbsfähigkeit überhaupt nicht die Lösung sein. Und auch Deutschland als ausgesprochene Exportnation wird nur für kurze Zeit erfolgreich sein in der einmaligen Sondersituation einer Währungsunion, wo die anderen Staaten nicht mehr die Möglichkeit einer Abwertung ihrer Währung haben. Für andere Länder ist das Ziel "Wettbewerbsfähigkeit", für das sie den Sozialstaat opfern sollen, ohne Wert, denn sie verlieren binnenwirtschaftlich viel mehr als sie außenwirtschaftlich gewinnen können.

Auf lange Sicht muß aber auch Deutschland Probleme bekommen: Wenn es den verschuldeten Staaten in Südeuropa – wie geschehen – eine Roßkur der Entschuldung aufzwingt, verliert es dort seine Exportmärkte. Ganz schwierig dürfte es werden, wenn einzelne Länder unter dem Druck ihrer Bevölkerung die Eurozone verlassen. Der Versuch, diesen Verlust durch Exporte auf den Weltmärkten auszugleichen, kann nur bedingt erfolgreich sein, weil die außereuropäischen Staaten notfalls ihre Währung abwerten können.

Deutschland droht also über kurz oder lang ein massiver Einbruch seiner Exportwirtschaft, was mit dem Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen verbunden sein wird. Auch hier zeigt sich, daß sich ein rücksichtsloser Konkurrenzkampf am Ende selbst zerstört. Eine gesunde und nachhaltige Politik müßte die Binnennachfrage durch angemessene Lohn- und Rentenerhöhungen, verbesserte Sozialleistungen sowie staatliche Investitionen in die eigene Infrastruktur stärken und ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht anstreben. Das geht allerdings nach den Verwerfungen, die in der Vergangenheit aufgebaut wurden, nur mit einer langsamen Kurskorrektur. Die Exportindustrie muß schwächer werden und der Import ausländischer Produkte und Dienstleistungen muß gestärkt werden. Astrologisch betrachtet, muß also das Fische-Prinzip in seine Rechte wieder eingesetzt werden, was in der Wirtschaftspolitik die Betonung der Nachfrage als Kaufkraft und die Neuinstallation der sozialen Marktwirtschaft bedeutet.

Geschieht das nicht, wofür alles spricht, werden die Spannungen zwischen Arm und Reich, sowohl national als auch international zunehmen. Da die astrologische Zeitqualität der Kardinalen Klimax (Quadrat zwischen Uranus in Widder und Pluto in Steinbock) die Gesellschaft ständig mit einer extrem aggressiven Energie versorgt, muß mit heftigsten Auseinandersetzungen gerechnet werden. Es ist keine Übertreibung, wenn befürchtet wird, daß der soziale Friede in Gefahr gerät. Zwar muß mit kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den europäischen Staaten wohl nicht mehr gerechnet werden, aber innerhalb der Gesellschaft wachsen die Gegensätze zwischen Arbeitsbesitzern und Arbeitslosen, Einheimischen und Migranten, Alten und Jungen (letztlich immer zwischen gut Situierten und Schwächeren) und könnten sich zu einer bürgerkriegsähnlichen Situation aufschaukeln.

Deutschland als die größte und stärkste Nation in Europa hat die besondere Verantwortung, rechtzeitig wirtschaftlich umzusteuern. Die sinnlose Austeritätspolitik, die die Binnennachfrage abwürgt, die die verschuldeten Länder in die Rezession treibt und den Sozialstaat ruiniert, muß beendet werden. Notwendig wäre dagegen ein europäisches Aufbauprogramm, finanziert durch höhere Steuereinnahmen (gerade auch von Unternehmen) und einer Sonderabgabe für Reiche. Diese Politik müßte aber flankiert werden von einer energischen Reglementierung des Finanzsektors. 

Es bleibt nur wenig Zeit, eine Katastrophe abzuwenden. Das Zeitfenster dafür ist inzwischen nach Ansicht kritischer Fachleute sehr klein geworden. 

Als aktuelle Information zu wirtschaftspolitischen Fragen empfehle ich die Internetseite des ehemaligen Chefvolkswirts der UNCTAD Heiner Flaßbeck.

Buchempfehlungen:

Jürgen Roth "Der stille Putsch"

Fabian Scheidler "Das Ende der Megamaschine. Die Geschichte einer scheiternden Zivilisation"

Video: Vermögen weltweit. Globale Ungleichheit in Zahlen

Interview mit Sahra Wagenknecht: "Wir brauchen eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus"

 

Rolf Freitag, Schule für Psychologische Astrologie in Heiligenhaus, 2014

Vervielfältigungen mit Angabe des Verfassers gestattet

    

  

Impressum | Haftungsausschluß | Datenschutz

© 2018 Rolf Freitag. Alle Rechte vorbehalten.