Der Verlust der Identität in der Postmoderne

Nächstenliebe oder Selbstliebe?

Seit Jahrhunderten, eigentlich seit Menschengedenken, gab es immer nur das Problem, wie der Egoismus, also die übertriebene Selbstliebe der Menschen, überwunden werden kann. Dieser Egoismus meldet sich ganz spontan schon in der Kindheit, und es war daher auch die Hauptaufgabe in der Erziehung, in Elternhaus und Schule, die Kinder zu sozial verträglichen Mitmenschen heranzubilden.

An diesem großen Ziel sind die Gesellschaften allerdings sehr oft gescheitert. Nicht unbedingt auf allen Gebieten des alltäglichen Lebens – es gab immer Bereiche, wo die Solidarität funktionierte – aber immer wieder brach sich der kollektive Egoismus auf erschreckende Weise seine Bahn.

Ich denke dabei an die lange Epoche der Sklaverei in der Antike, an den Kolonialismus der Europäer gegenüber dem globalen Süden, an die Gründung der USA durch den Völkermord an den Indianern, an die Versklavung der Afrikaner und ihre Verschiffung in die USA, an den Rassismus der Nazis gegen die Juden und die slawischen Völker im 2. Weltkrieg, an den revolutionären Klassenkampf in Russland, in China und in anderen vom Marxismus geprägten Völkern, an den Dschihad des Islam gegen die Ungläubigen und auch an die zur Zeit immer noch bestehende Hegemonie der USA in der Welt, die sich dabei auf ihre "regelbasierte Ordnung" berufen.

In allen diesen Fällen haben sich Staaten oder zumindest gut organisierte Gruppen gegen Schwächere rücksichtslos durchgesetzt und insofern die Selbstliebe über die Nächstenliebe gestellt.

Die einzige große Ausnahme in der Weltgeschichte ist die christliche Religion. Sie verzichtet ausdrücklich darauf, irgendeine Ordnung in der Welt durch Gewalt errichten zu wollen. Jesus verkündete, mein Reich ist nicht von dieser Welt. Und von seinen Anhängern forderte er: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wir müssen allerdings als Christen selbstkritisch feststellen, daß auch die Kirchen und die sich christlich nennenden Staaten in der Geschichte immer wieder gegen diesen einfachen Grundsatz massiv verstoßen haben.

Die christliche Religion fordert ein Gleichgewicht zwischen Selbstliebe und Nächstenliebe, weil jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist. Die Gottesliebe ist also das Fundament der christlichen Ethik. Wenn aber dieses religiöse Fundament nicht mehr gegeben ist, dann drohen immer auch die zwischenmenschlichen Beziehungen aus der Balance zu geraten. In der Vergangenheit wurde die Selbstliebe, also der Egoismus, bevorzugt. Gerade in der angelsächsischen Philosophie (Thomas Hobbes) galt der Grundsatz "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf" und die damit verbundene Aufforderung an den Herrscher, rücksichtslos für ein soziales Verhalten zu sorgen. Etwa hundert Jahre nach Hobbes erklärte der Volkswirtschaftler Adam Smith den Egoismus geradezu für etwas Gutes. Durch den Konkurrenzkampf der einzelnen Egoisten würden seiner Ansicht nach Wohlstand und Fortschritt in der Gesellschaft gefördert. Das ist im Grunde die ideologische Begründung des Kapitalismus, der zu den gewaltigen Einkommensunterschieden zwischen Arm und Reich und auch zu den zerstörerischen Kriegen geführt hat.

In der Postmoderne gibt es nun seit einiger Zeit eine Bewegung, die als "Wokeismus" bezeichnet wird, in der ausdrücklich Minderheiten, Ausnahmen und Sonderfälle aller Art in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden. Das englische Wort "woke" bedeutet "erwachen" und insofern gibt diese Bewegung vor, nun endlich verstanden zu haben, daß mit dem Egoismus der vergangenen Jahrhunderte Schluß gemacht werden und für die angerichteten Schäden eine Wiedergutmachung geleistet werden muß.

Diese weit über das Normale hinaus gehende soziale Einstellung kann man nicht mehr als "Links" bezeichnen. Sie ersetzt das traditionelle Prinzip des "Alle für Einen, Einer für Alle" durch eine unbegrenzte Anspruchsberechtigung ohne eigene Leistung. Eine solche Einstellung, durch die der eigene Staat quasi zum Weltsozialamt gemacht wird, kann nicht funktionieren und ist im Grunde "verrückt".

(vgl. meinen Artikel Was ist politisch "Rechts"? Was ist politisch "Links"?)

Zum ersten Mal in der Weltgeschichte erleben wir das Phänomen, daß die Schwachen und die Minderheiten in der Gesellschaft über die große Mehrheit bestimmen, weil die von der Mehrheit gewählten politischen Vertreter sich das einfach gefallen lassen wollen. Sie behaupten, der Gerechtigkeit zu dienen, aber sie verraten damit in Wahrheit ihre Völker und richten großen Schaden an.

Die politischen Vertreter dieser Richtung sind die Grünen und die Linken und ihre Klientel sind vor allem Migranten, benachteiligte Frauen und sexuelle Minderheiten. Die Werte, die sie propagandistisch im Munde führen, nämlich Menschenrechte, Vielfalt, Toleranz, Identität, Selbstbestimmung oder auch Rettung des Planeten vor dem Klimatod u.a., hören sich durchaus christlich an, und das ist wahrscheinlich sogar ein Grund, warum die christlichen Kirchen sich dem Wokeismus geöffnet haben.

Ich bin ein überzeugter katholischer Christ und ich möchte hier nun darlegen, daß der Wokeismus ein Irrtum ist und im Begriff steht, die westlichen Gesellschaften zu zerstören.

Zunächst könnte man sich ja auf den Standpunkt stellen, daß die Betonung der Nächstenliebe gegenüber allen Ausnahmen und Minderheiten eine lobenswerte Einstellung ist, die früher in der Gesellschaft einfach gefehlt hat. So weit so gut. Aber es sollte uns schon mißtrauisch machen, daß diejenigen, die diese Haltung ständig propagieren, sich in der Regel gar nicht selbst engagieren sondern immer nur andere an die Front schicken. Es gibt Ausnahmen, aber gerade in der Politik sehe ich Personen, die sich keineswegs aufgeopfert, sondern eher einen persönlichen Vorteil aus dem Wokeismus gezogen haben. Was hat z.B. Angela Merkel persönlich mit ihrem Wort "Wir schaffen das" geleistet, mit dem sie 2015 die (illegale) Massenmigration nach Deutschland in Gang gebracht hat? Sie hat persönlich gar nichts geleistet. Was hat eine Annalena Baerbock als deutsche Außenministerin erreicht? Der Wokeismus hat ihr die Möglichkeit verschafft, in der Politik Karriere zu machen und sich dabei auch noch auf Kosten der Steuerzahler wie ein Model schminken und ausstaffieren zu lassen.

Doch das sind vielleicht nur Äußerlichkeiten. Grundsätzlich wäre zu überlegen, ob man das mitmenschlich Gute überhaupt tun kann ohne die dazugehörige Kompetenz. Der deutsche Soziologe Max Weber hat bereits Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik aufmerksam gemacht. Die Grünen und die Linken, die sich selbst gern als "Menschen mit Haltung" oder als "Gutmenschen" bezeichnen, vertreten eine reine Gesinnungsethik. Eine Verantwortungsethik würde man daran erkennen, daß die gesellschaftlichen Projekte funktionieren. Den Grünen und den Linken fehlt dazu der gesunde Menschenverstand.

Astrologisch gesehen kommt es auf das Prinzip Saturn (Steinbock) an. Die Steinbock-Energie vermittelt die Fähigkeit, die Realität wahrzunehmen. Nächstenliebe hat viel mit dem Prinzip Fische zu tun und Selbstliebe mit dem Prinzip Wassermann. Damit diese beiden grundlegenden Schalter das Horoskop in eine gesunde Balance bringen, bedarf es unbedingt der Steinbock-Energie. Steinbock (Saturn) sorgt für stabile Verhältnisse. Genau hier haben die Grünen und die Linken ein großes Problem.

Wer die Nächstenliebe im Sinne des Wokeismus übertreibt, beeinträchtigt seine Selbstliebe. Damit wertet er notwendigerweise auch alles ab, was zu seiner eigenen Identität gehört. Dazu gehören die eigene Weltanschauung, die eigene Familie und die eigene Kultur. Auf diese Weise verliert ein Mensch seine Wurzeln, und ohne diese Wurzeln hat er auch nicht mehr die Kraft, den globalistischen Plänen des Great Reset (Klaus Schwab) Widerstand entgegen zu setzen.

Es gibt heute fünf Bereiche, die man im Auge behalten sollte: die Massenmigration und ihre Folgen, die Corona-Plandemie und ihre Aufarbeitung, die LGBTQ-Bewegung mit der Gender-Ideologie, die Klima-Hysterie mit der Energiewende und den Ukraine-Krieg mit den Anti-Putin-Sanktionen. Bei allen fünf gesellschaftlichen Bereichen muß man feststellen, daß die aktuelle Politik, die dem Wokeismus folgt, die Gesellschaft schwer belastet und letztlich zerstört. Man kann eigentlich nur darüber streiten, ob das Dummheit ist oder Absicht. 

(vgl. meinen Artikel Der Bankrott der Religion in der Postmoderne)

Warum kann man mit Grünen und Linken nicht über aktuelle politische Probleme vernünftig diskutieren? Ich behaupte, sie müssen einer rationalen Diskussion aus dem Weg gehen, weil es ihnen an Kompetenz mangelt. Sie machen das, indem sie einfach Evidenzen abstreiten. Außerdem beziehen sie aus der aktuellen politischen Situation erhebliche persönliche Vorteile, die sie auf keinen Fall verlieren wollen.

Evidenzen sind unmittelbar einsichtige Tatsachen, die man nicht beweisen kann, die man aber auch nicht beweisen muß, weil sie jeder vernünftige Mensch deutlich vor Augen hat. Ich bringe Ihnen ein Beispiel, von dem in meiner Studentenzeit erzählt wurde. Ein Professor machte in einer Philosophie-Prüfung folgendes: Er klopte einem Prüfling mit dem Bleistift auf den Kopf und sagte: "Das ist ein Veilchen. Beweisen sie mir das Gegenteil!" Er wollte natürlich hören, daß ein Beweis hier nicht möglich ist, weil dieser immer zugrunde liegende Tatsachen voraussetzt, die hier aber vorsätzlich durcheinander gebracht wurden. Ein Bleistift ist eben kein Veilchen. Das sieht jeder unmittelbar ein.

Wem diese Beispiel lächerlich erscheint, sollte sich fragen was denn an den Behauptungen von Grünen und Linken vernünftig ist, wenn sie sagen: "Es gibt mehr als zwei Geschlechter" (nach meinem Kenntnisstand inzwischen über 70), "Man kann sein Geschlecht jedes Jahr ändern" (Selbstbestimmungsgesetz), "Ein Land gehört niemandem" (keine Grenzsicherung) oder "Kein Mensch ist illegal" (Menschenrecht auf Migration). Das sind unsinnige Tatsachen-Behauptungen, über die jeder normal denkende Mensch nur den Kopf schütteln kann.

In anderen Fällen hören wir Aussagen wie "Die Sonne schickt uns keine Rechnung" oder "Nur die Liebe zählt", die die Verhältnisse in infantiler Weise grob vereinfachen. Wie soll man mit solchen Menschen vernünftig diskutieren. Das geht natürlich nicht, und das ist von Seiten der Grünen und Linken auch nicht beabsichtigt. Sie verteidigen ihre Politik ja nicht mit Argumenten sondern mit anderen Mitteln. Dazu gehören Verunglimpfungen und Beschimpfungen ihrer Gegner (Vorwurf der Verbreitung von Haß und Hetze, ihre Gegner werden als rechtsextrem oder als Nazis bezeichnet), Denunziationen (Veranlassung von Kontenkündigungen durch NGOs), mediale Propaganda im von Grünen und Linken dominierten ÖRR und in den Leitmedien, und wenn das alles nicht reicht auch nackte Gewalt der Antifa.

Diese Methoden haben ihre Logik und man sollte sich darüber nicht wundern. Wenn jemand diskussionsunfähig ist und trotzdem in der Gesellschaft seine Macht und seinen Einfluß sichern will, muß er zu undemokratischen Mitteln greifen. Die Grünen und die Linken vertreten eine Ideologie und ihre Methode ist notwendigerweise totalitär. Thomas Rießinger, ein Autor auf www.reitschuster.de, der sehr intelligente Texte schreibt, hat die Grünen deshalb als "Partei des infantilen Totalitarismus" bezeichnet.

Zu den Evidenzen gehören auch die grundlegenden Tatsachen eines Menschenlebens, die in der Philosphie als "Existentialien" bezeichnet werden: Der Mensch ist ein geschichtliches Wesen, eingespannt zwischen Geburt und Tod, der unvermeidlich ist. Der Mensch ist nicht nur Körper sondern auch Geist, der sich in Reflexionsfähigkeit und Offenheit für Transzendenz (Sinnfragen) bezeugt. Er ist zur Freiheit berufen und wird damit in einen Raum der Verantwortlichkeit gestellt, in dem er sich selbst verwirklicht. Er kann Schuld auf sich laden und ist damit auch erlösungsbedürftig. Der Mensch verdankt sich nicht sich selbst, er ist Geschöpf Gottes und hat den Gesetzen der Schöpfung zu gehorchen.

In der Postmoderne (Zeit der Chaotik) werden alle diese Evidenzen abgestritten. Das Ergebnis ist ein völlig absurdes zwischenmenschliches Verhalten auf Kosten der eigenen Identität.

Es gibt demnach zwei Möglichkeiten, die eigene Identität zu zerstören, den Egoismus und den Altruismus. In beiden Fällen fehlt die Gottesliebe, die die Grundlage von Selbstliebe und Nächstenliebe ist.

Hinter der woken Propagierung der Nächstenliebe für alle möglichen Ausnahmen und Minderheiten in der Gesellschaft steckt viel persönliche Inkompetenz und Heuchelei. Natürlich heißt diese Kritik nicht, daß die Gesellschaft wieder in den alten Egoismus zurückfallen sollte. Es geht um die gesunde Balance zwischen Selbstliebe und Nächstenliebe, wie sie gerade das Christentum in seiner Lehre vertritt. Die Nächstenliebe darf nicht auf Kosten der Mehrheit in der Gesellschaft und auch nicht auf Kosten funktionierender Verhältnisse gehen.

Bis dahin ist es in Deutschland wohl noch ein langer Weg. Es wird aber keinen Erfolg geben, wenn Deutschland und Europa nicht zu ihren christlichen Wurzeln zurückfinden.

Rolf Freitag, Schule für Psychologische Astrologie in Heiligenhaus, September 2025

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