Neuentscheidungen

Wir Menschen treffen in der frühen Kindheit (und wahrscheinlich auch schon vorgeburtlich) unter dem Einfluß der Familiensituation Entscheidungen, die unsere Position in der Familie und damit auch im späteren Leben festlegen. Wir übernehmen die verbalen und nonverbalen Botschaften unserer Eltern, die uns eine Meinung über uns und die Welt vermitteln, setzen sie in unserem Verhalten um und speichern sie tief im Gefühl. Da aber niemand ideale Eltern hat, sind viele Verhaltensmuster einfach falsch und stoßen später im Erwachsenenleben mit der Realität zusammen. Wenn wir also als Erwachsene ein freieres und glücklicheres Leben führen wollen, müssen wir den Mut finden, solche Verhaltensmuster zu ändern und unser Leben neu zu entscheiden.

(vgl. das Schaubild Mein Modell der Transaktionsanalyse)

Lebensveränderungen werden allerdings erst möglich, wenn wir die Frustrationen und das Leid, die das Leben mit sich bringt, bewußt zulassen und nicht mehr verdrängen. Das Bekenntnis zum Leid ist kein Masochismus. Die falschen Verhaltensmuster wurden in der Kindheit unter Schmerzen erlernt und können deshalb auch nur unter Schmerzen wieder losgelassen werden. Die Angst vor dem Leid ist deshalb das größte Hindernis auf dem Weg in die Freiheit und führt uns immer wieder in die alten Psychospiele.

Leid entsteht, wenn die Herausforderungen des Lebens im HIer und Jetzt nicht einfach angenommen werden können, weil frühkindliche Fixierungen einer Weiterentwicklung der Persönlichkeit im Wege stehen. Das Geburtshoroskop und die aktuellen Progressionen und Transite zeigen die entsprechende Energiesituation, die mit der Realität zusammenstößt, durch Spannungsaspekte (Quadrate, Oppositionsstellungen, Halbquadrate, Anderthalbquadrate, Halbsextile) an.

In der Praxis kann sich der Konflikt auf zweierlei Art auswirken:

  • Entweder die Realität bietet nicht die Chancen, die zur augenblicklichen Energiesituation passen
  • oder die Realität stellt Anforderungen, für die im Moment die notwendigen Energien fehlen.

Das Ereignis (das Leben) gibt gewissermaßen den Rahmen vor, der mit den gleichzeitig gegebenen Energien (die man astrologisch beschreiben kann) bearbeitet werden soll. Versperrt das Leben eine oberflächliche und naheliegende Möglichkeit oder stellt es Anforderungen, die der Horoskopeigner noch nicht erfüllen kann, muß der Mensch mit seinen Energien einen neuen Weg suchen.

Genau dieser Prozeß einer Neuorientierung fällt aber jedem Menschen sehr schwer, weil er aufgrund von frühkindlichen Festlegungen unvermeidlich mit Frustrationen verbunden ist. Die Menschen werden deshalb zunächst versuchen, diesen Frustrationen auszuweichen. Es sind zwei Wege möglich:

  • Die Energien werden (entlang den Aspektlinien) zu anderen Planeten geschoben, wo man sich sicher fühlt. Dann entstehen an diesen Stellen des Horoskops Übertreibungen, die zur Realität nicht passen (z.B. Verhaltensweisen der Sucht bzw. des Fanatismus). Psychologisch wird dieser Weg als Kompensation bezeichnet.
  • Die Energien werden nicht gelebt. Das ist der Weg der Verdrängung, der Übertreibungen immer komplementär begleitet. Er führt am Ende zu plötzlichen und unkontrollierten Energieausbrüchen (Nachholbedarf) oder nach längerer Zeit eines Energiestaus zu seelischen (psychosomatischen) Krankheiten.

Der richtige Weg, zu dem eine Beratung helfen soll, ist der Weg der Verinnerlichung. Er wird auch als Sublimation (Veredelung) bezeichnet. Weil er grundsätzlich nicht ohne Leid gangbar ist, entspricht er dem christlichen Glauben, der besagt, daß aus Kreuz und Leid ein neuer Anfang bzw. ein neues Leben (auf einem höheren Niveau) entstehen können. Ein solches durch Verinnerlichung gewonnenes Leben kann die Menschen in die Lage versetzen, daß sie ihre inneren Spannungen ausgleichen und dadurch auch nach außen in der Kommunikation ein eindeutiges Bild abgeben, ohne verdeckte Botschaften, so daß Psychospiele vermieden werden.

Kreuz und Leid können allerdings auf zwei verschiedenen Wegen erfahren werden. Die eine Möglichkeit, die im Christentum immer empfohlen worden ist, ist der Weg des freiwilligen Verzichts aus Einsicht in die Grenzen des Lebens. Das ist sicher ein schmerzlicher Weg, der eine feste Überzeugung voraussetzt und der deshalb nicht in jeder Situation für jeden Menschen gangbar ist. Vor allem junge Menschen kann man heute schlecht zum Verzicht motivieren.

Die andere Möglichkeit ist der Weg des Experiments. Er bedeutet, daß man das Leben zunächst mit der im Augenblick unvermeidlichen Unsicherheit mutig zu leben versucht, ohne sich groß nach moralischen Prinzipien zu richten. Das scheint der Weg zu sein, den die meisten Menschen heute normalerweise einschlagen.

Man wird dabei durch die Schwierigkeiten, die das Leben selbst im Laufe der Zeit mit sich bringt, ebenfalls zum Verzicht gezwungen und am Ende ganz ähnliche Leiderfahrungen machen wie beim Weg einer freiwilligen Askese.

Voraussetzung ist aber, daß man die Verantwortung für das eigene Leben übernimmt und sich vor den oft überraschenden und unangenehmen Konsequenzen der eigenen Experimente nicht drückt.

(vgl. das Schaubild Die Dynamik des Lebens)

Allerdings ist dieser zweite Weg für jeden Menschen ein ganz eigener. Er läßt sich nicht normieren und ist deshalb den Fundamentalisten aller Religionen immer ein Dorn im Auge.

Rolf Freitag, Schule für Psychologische Astrologie in Heiligenhaus, 2011

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