Integration und Verinnerlichung
Die Planetenstellungen im Horoskop mit ihren Aspektverbindungen zeigen die unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile, die das Begabungsspektrum des Horoskopeigners ausmachen. Diese Persönlichkeitsanteile müssen alle zu ihrem Recht kommen und sie müssen sich in der Realität manifestieren. Trotzdem darf die Persönlichkeit dabei nicht auseinandergerissen werden. Es stellt sich also die Aufgabe der Integration.
Die Integration erfolgt auf zwei Ebenen: Einmal muß jeder Mensch innerhalb seiner Person die unterschiedlichen Energien seines Horoskops miteinander ausbalancieren. Zum anderen muß er aber auch die komplexe Situation draußen in der Welt finden, die alle seine Begabungen gleichermaßen beansprucht. Diese kann aber nur ergriffen werden, wenn gleichzeitig die innerseelische Balance gelungen ist. Beide Ebenen hängen untrennbar zusammen. Werden Energien vom Horoskopeigner nicht richtig gelebt, dann scheint er Menschen und Ereignisse geradezu anzuziehen, die die nicht gelebten Energien - allerdings auf eine übertriebene Weise - von außen an ihn herantragen.
In jungen Jahren gelingt es dem Horoskopeigner in der Regel noch nicht, sämtliche Energien seines Horoskops in eine sinnvolle Verbindung miteinander zu bringen. So kann es häufig vorkommen, daß sich der junge Mensch anfangs geradezu gespalten erlebt, weil zwei größere Persönlichkeitskomplexe ziemlich unverbunden nebeneinander stehen. Der Mensch hat praktisch zwei Gesichter oder zwei Seelen in seiner Brust. In extremen Fällen droht sogar die vollständige Spaltung der Persönlichkeit (Schizophrenie, multiple Persönlichkeit).
Im vorgerückten Alter gelingt es aber sehr vielen Menschen, ein geschlossenes Bild ihrer Persönlichkeit zu entwickeln. Damit gewinnen solche Menschen eine enorme Ausstrahlung. Man erkennt die gelungene innere Integration oft an der Struktur der äußeren Situation, das heißt vor allem an der Ausgestaltung von Beziehungen und Beruf.
Wenn wirklich alle Horoskop-Energien in der äußeren Situation ausgeglichen gelebt werden, ist auch die innere Balance gefunden.
Auf dem Weg zur Integration der Horoskopenergien entwickeln die Menschen zwei unterschiedliche Strategien:
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In jungen Jahren leben sie die verschiedenen Persönlichkeitsanteile zunächst nacheinander und hoffen so, daß sich im Laufe der Zeit, gewissermaßen als Summe eines längeren Lebensabschnittes, eine Balance einstellt. Die Menschen bevorzugen in dieser Lebensphase die körperlich-vitale Manifestationsebene ihrer Energien. Mit einem solchen Verhalten bekommt aber die gefundene Balance nicht die erforderliche Stabilität. Es drohen vor allem unter Streß unvermeidlich die Gefahren der Übertreibung bzw. der Verdrängung einzelner Persönlichkeitsanteile.
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Mit vorgerücktem Alter versuchen die Menschen, das Problem der Integration dadurch zu lösen, daß sie sich bemühen, die verschiedenen Persönlichkeitsanteile ihres Horoskops in einer Situation gleichzeitig zu leben. Damit kann die Persönlichkeit in jeder Situation in einer gesunden Balance gehalten werden. Außerdem wird auch der Umwelt ein eindeutiges Bild der eigenen Person geboten.
Praktisch setzt das die Fähigkeit voraus, die Horoskopenergien auf einer geistig-seelischen Manifestationsebene (und nach der Lebensmitte auch auf einer spirituell-religiösen Ebene) leben zu können.
Nehmen wir als Beispiel das fixe Kreuz: Hier müssen die Persönlichkeitsanteile Bindungsfähigkeit (Skorpion), Sicherheit (Stier), Selbstbewußtsein (Löwe) und Unabhängigkeit (Wassermann) miteinander ausbalanciert werden. Menschen, die diese Energien im Horoskop stark gestellt haben, werden sich mit diesem Problem besonders auseinandersetzen müssen. Es liegt auf der Hand, daß etwa - bei entsprechender Veranlagung - die intensive Bindung der Skorpionenergie die Fragen aufwerfen muß: Bin ich noch ein freier Mensch (Wassermann)? Habe ich nicht meinen Stolz verloren (Löwe)? Gebe ich jetzt meine Sicherheit preis (Stier)?
Wenn das Erlebnis der Bindung allein auf der animalisch-triebhaften Sex-Ebene erfolgt (ohne daß das tiefer liegende Bedürfnis nach geistig-seelischer Verbundenheit gleichzeitig mitbefriedigt wird), wird der Mensch anschließend einen dringenden Nachholbedarf erleben. Er spürt also den Impuls, jetzt etwas für seinen sichtbaren Stolz (oder für seine materielle Sicherheit oder für seine räumliche Unabhängigkeit) tun zu müssen. Damit ändert er plötzlich und radikal sein Bindungs-Verhalten (etwa, indem er ohne etwas zu sagen, eine Zeit lang unauffindbar ist oder heimlich eine andere sexuelle Beziehung beginnt). Er stößt damit verständlicherweise seinen Partner (oder die Umwelt) vor den Kopf. Die Ungleichzeitigkeit der Bedürfnisse und Gefühle, die für die körperlich-vitale Manifestationsebene typisch ist, gibt auch den Grund ab für alle möglichen Psychospiele, die die Beziehungen und Arbeitsverhältnisse belasten.
Ganz unabhängig vom Alter gilt außerdem folgendes Gesetz: Unter einer dominanten Wassermann-Energie neigen die Menschen dazu, die sichtbare körperlich-vitale Manifestationsebene zu bevorzugen. Eine stark gestellte Fische-Energie begünstigt dagegen eine Verinnerlichung der Horoskop-Energien. Unter ihrem Einfluß tendieren die Menschen zu der unsichtbaren geistig-seelischen Manifestationsebene.
Das Bemühen um eine geistig-seelische Verwirklichung der Horoskop-Energien kann also zu einer Haltung führen, mit der extreme einseitige Verhaltensweisen vermieden werden. Letztlich ist das aber nur eine Näherungsmethode, die gerade bei besonders schwierigen Konstellationen im Horoskop nicht zum Ziel führt. Die endgültige Lösung liegt in einem Verhalten, das uns ermöglicht, alle menschlichen Bedürfnisse mit einer gewissen Vorläufigkeit zu leben. Eine solche Gelassenheit der Welt gegenüber (und damit ein unerschütterliches Leben aus einer tiefen Mitte) gelingt nur, wenn jemand die unmittelbare und direkte Erfahrung der transpersonalen (göttlichen) Wirklichkeit machen durfte. Die Religionen beschreiben diese Erfahrung als ein Erleuchtungserlebnis.
Einer solchen mystischen Erfahrung geht in der Regel immer ein längerer Lebensabschnitt voraus, wo dem Menschen die Verwirklichung seiner Energien geradezu abgeschnitten wird. Er erfährt diese Leere als großes Leid, das es mit Geduld zu ertragen gilt, immer in dem Wissen darum, daß nur so die inneren Barrieren abgeschmolzen werden, die ihn von der Welt des Göttlichen im tiefsten Grund seiner Seele trennen. So entwickelt sich langsam eine innere religiöse Verankerung des Menschen, die der Integration seiner Horoskop-Energien einen verläßlicheren Halt gibt, als es alle Lebensweisheiten von außen bewirken können.
Mit dem Erreichen der transzendenten Ebene ordnen sich im Menschen auch die Spannungen zwischen den Energien in den darüber liegenden Manifestationsebenen. Die vertikale Integration (Verinnerlichung) ist die Voraussetzung für die horizontale Integration auf jeder Lebensebene.
In einem solchen Fall wird die Liebe (Skorpion) nicht mehr fanatisch sein, die Sicherheit (Stier) nicht mehr besitzergreifend, das Selbstbewußtsein (Löwe) nicht mehr überheblich und die Freiheit (Wassermann) nicht mehr rücksichtslos. Durch diese Gelassenheit werden die jeweils im Quadrat dazu stehenden Energien auch nicht mehr zwangshaft und übertrieben als Korrektiv auf den Plan gerufen. Der Mensch bleibt, was immer er tut, ungefähr in seiner Mitte. Er erfährt auf dem Grund seiner Seele die Einheit aller Energien. Daß ein solches Verhalten nicht einfach gelingt, versteht sich natürlich von selbst. Es muß letztlich ein ganzes Leben lang mit viel Geduld gerade dem Leid gegenüber immer wieder eingeübt werden.
Rolf Freitag, Schule für Psychologische Astrologie in Heiligenhaus, 2011
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