Der Tierkreis als Yang-Yin-Schwingung
Das Grundgesetz des Lebens
Als ich mit dem Studium der Astrologie begann, hat mir nichts so viel Schwierigkeiten bereitet als die eindeutige Beschreibung und saubere Abgrenzung der beiden Tierkreis-Energien Wassermann und Fische. Der Grund lag aber nicht an meinem mangelhaft entwickelten Unterscheidungsvermögen, sondern daran, daß die diesen beiden Energien zugeschriebenen Eigenschaften sich teilweise überlappten. In vielen astrologischen Lehrbüchern konnte man Merkmale wie Humanität, soziales Engagement, Toleranz und Menschenfreundlichkeit sowohl auf der Wassermann-Seite als auch bei den Fischen finden. Wie soll man da zu einer klaren Begriffsbildung kommen?
Ich hatte auch meine Probleme mit der Schütze-Energie, die in allen Lehrbüchern mit so viel guten Eigenschaften versehen wurde, daß man glatt den Eindruck gewinnen konnte, daß eine Planetenstellung im Schützen so etwas wie den Hauptgewinn im astrologischen Lotto bedeutet: Kameradschaftlichkeit, Offenheit, Schwung, Optimismus, Charisma, Unternehmungsgeist, Sportlichkeit, Gelehrsamkeit, Bildung, Moral, Gerechtigkeitssinn, Philosophie, Religion - was will man mehr? Und wenn nicht zufällig meine eigene Sonne im Schütze-Zeichen stünde, vielleicht hätte ich das Studium der Astrologie aus purer Eifersucht bei einer solchen Bevorzugung einer Tierkreis-Energie schon gleich am Anfang abgebrochen.
Ziemlich unklar blieb auch die Erklärung der Waage-Energie, die einerseits durchaus extrovertiert als Schönheit, Harmonie, Geselligkeit, Freundlichkeit, Anmut und Beliebtheit, andererseits aber auch immer wieder sehr direkt als Gefühls-Energie, nämlich als "Liebe" vorgestellt wurde, während doch gleichzeitig der Skorpion als die Energie der tiefen gefühlsmäßigen Bindungsfähigkeit gilt. Kann denn "Liebe", die ja richtig verstanden immer eine feste Beziehung beinhaltet, einfach mit "Beliebtheit" gleichgesetzt werden?
Es hat einige Jahre gedauert, und es mußten große Schwierigkeiten überwunden werden, bis ich mit dem Schützen und der Waage ins Reine gekommen bin. Das gilt auch für die Energien von Wassermann und Fische, die ich endlich so deutlich zu unterscheiden gelernt hatte, daß gerade diese Unterscheidung zur Grundlage meiner eigenen Astrologie, nämlich zur Verbindung von Astrologie & Transaktionsanalyse werden konnte.
Mir war von Anfang an bewußt, daß die genaue Kenntnis aller 12 Grundenergien das Fundament der astrologischen Arbeit bildet. Die Tierkreis-Energien sind die kleinsten Bausteine, mit denen jede Methode arbeiten muß, und darin werden mir vermutlich alle Astrologen beipflichten. Umso unzufriedener war ich mit der Situation in den astrologischen Lehrbüchern, denn dort war diese Klarheit absolut nicht zu finden, was sich bis zum heutigen Tag aus meiner Sicht nicht geändert hat.
Mir ist natürlich die grundlegende Schwierigkeit bewußt, daß nämlich keine Tierkreis-Energie für sich allein existiert und deshalb in der Realität des Lebens auch nicht einfach isoliert beobachtet werden kann. Immer sind es Mischungen von vielen Grundenergien, die das Horoskop durch Zeichen- und Häuserstellung und durch die oft recht zahlreichen Aspekte symbolisch zum Ausdruck bringt. Es ist eigentlich erklärlich, daß die Astrologen bei dem Bemühen, diese Mischungen auf einfache Archetypen zurückzuführen, zu etwas unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Mir ist aber einmal im Unterricht ganz spontan eine Methode eingefallen, die sich dann als sehr brauchbar erwiesen hat, um die vielen - einander oft widersprechenden - Merkmale der einzelnen Tierkreis-Energien auf ihre Richtigkeit überprüfen zu können. Diese Methode ist folgende:
Ich habe den Tierkreis nicht wie üblich als Kreis, sondern mit einer Yang-Yin-Schwingung gezeichnet. Die 6 Luft- und Feuer-Energien wurden jeweils durch einen nach außen gerichteten Bogen (Yang), die 6 Erd- und Wasser-Energien durch einen nach innen gerichteten Bogen (Yin) dargestellt. Yang- und Yin-Energien wechseln sich natürlich ab. Der Tierkreis beginnt also mit einem Yang-Bogen (Widder-Zeichen) und endet mit einem Yin-Bogen (Fische-Zeichen), so daß sich ein geschlossener Schwingkreis bildet.
(vgl. das Schaubild Die Harmonie des Tierkreises)
Daran ist eigentlich für Astrologen nichts Ungewöhnliches, denn mit dem Begriffspaar Yang/Yin, für das in der Jungschen Psychologie auch die Begriffe "extrovertiert" und "introvertiert" stehen, wird ja in Beratungen ständig operiert. Für mich wurde dieser Schwingkreis jedoch zu einem wichtigen Werkzeug.
Um das zu verstehen, müssen Sie sich als Leser zunächst eine genaue Vorstellung von den Kategorien "Yang" und "Yin" bilden. Ich bin mir nicht so sicher, ob diese uralten, aus dem Taoismus stammenden Begriffe von Ihnen wirklich eindeutig unterschieden werden. Oft fehlt dafür das richtige "Feeling". Deshalb habe ich hier in Form einer Übersicht eine Reihe von Begriffspaaren zusammengestellt.
(vgl. die Übersicht Polaritäten)
Diese Übersicht soll deutlich machen, daß es sich um die grundlegende Polarität des Lebens handelt, wie sie uns überall entgegen tritt. "Yang" bedeutet dabei die spontane, schöpferische und ungebundene Seite des Lebens, "Yin" dagegen die Anpassung und passive Rückbindung an Vorgegebenes, Überliefertes, Grundlegendes und Allgemeines. Mit einer Yang-Energie (oder richtiger gesagt: mit der Yang-Seite des Horoskops) brechen wir aus der unbewußten Ganzheit des Lebens auf, schaffen wir ein kleines Stück bewußtes neues Terrain, das aber mit der Ganzheit des Lebens in Verbindung bleiben muß, wenn es nicht zugrunde gehen soll. Um diese Verbindung nicht zu verlieren, gebrauchen wir die Yin-Seite des Horoskops. Es ist wie ein Ein- und Ausatmen.
Sie sollten sich ein wenig Zeit nehmen, dem Unterschied von Yang und Yin meditativ nachzuspüren. Es ist der größte Unterschied, den das Leben anzubieten hat. Oft werden für Yang und Yin auch die Begriffe männlich und weiblich gebraucht, doch ist hier die Parallelität nicht ganz vollständig. Die Waage-Energie (Venus) gehört nämlich dem Luft-Element (Yang) an und wird trotzdem dem Weiblichen zugordnet. Die Steinbock-Energie (Saturn) andererseits symbolisiert als Teil des Erd-Elements (Yin) eine Seite des Männlichen.
Am deutlichsten erscheint die Polarität von männlich und weiblich in den Energien von Wassermann (Uranus) und Fische (Neptun). Deswegen ist die Spannung zwischen diesen beiden Energien auch am größten und eine ausgeglichene Balance hier am schwierigsten zu erreichen.
Kommen wir zurück zu unserem Tierkreis und den ungenauen Beschreibungen einzelner Energien. Mit dem Yang-Yin-Schwingkreis haben wir nun ein Werkzeug in der Hand, diese Ungenauigkeiten zu klären:
Schütze-Energie
Die Eigenschaften wie Offenheit, Dynamik, Optimismus, Schwung, Ausdehnung, Unternehmungsgeist, Sportlichkeit usw. passen durchaus zum Yang-Charakter dieser Energie. Aber ganz und gar nicht nicht solche Begriffe wie Gerechtigkeit, Moral, Bildung, Philosophie, Religion usw., denn sie verweisen auf Vorgegebenes (Yin).
Gerechtigkeit und Moral orientieren sich an Maßstäben, sie können nicht einfach erfunden werden, sonst könnte man auch nicht in ihrem Namen Ansprüche gegenüber anderen Menschen geltend machen. Unter Bildung kann man zwar im Detail sehr unterschiedliche Kompetenzen verstehen, aber trotzdem wird schließlich jeder Bildungstheoretiker einen Kanon zusammen zu stellen suchen, der ganz bestimmten Bedingungen entsprechen soll. Ein "Sollen" aber ist niemals das Kennzeichen einer spontanen Energie. Sie ist das typische Merkmal der Steinbock-Energie (Saturn), die zur Yin-Seite des Horoskops gehört. Religion schließlich macht schon im Begriff deutlich, wo sie hingehört, denn "religio" heißt im Lateinischen "Bindung".
Es läßt sich also mit der Yang-Yin-Schwingung offensichtlich etwas Praktisches anfangen, wie das Beispiel der Schütze-Energie beweist. Wenn ich Sie noch nicht überzeugt habe, probieren wir ein zweites Beispiel:
Wassermann-Energie
Die Begriffe Erregung, Freiheit, Egozentrik, Erfindung usw. passen eindeutig zum Yang-Charakter dieser Tierkreis-Energie. Wie aber steht es mit den oben genannten Merkmalen Humanität, soziales Engagement, Toleranz und Menschenfreundlichkeit? Sie beschreiben alle eine Form der Rücksichtnahme und können deshalb gar nicht der Welt des Yang angehören. Sie sind typische Eigenschaften der Fische-Energie. Auch die Freundschaft, die immer wieder dem Wassermann oder dem 11. Haus zugeordnet wird, beinhaltet eindeutig Bindungselemente und kann deshalb nicht allein Sache der Wassermann-Energie sein. Zumindest ist hier noch die Skorpion-Energie beteiligt. (Freundschaft = Bindung mit Distanz)
Als ich bei einem Vortrag auf diese Zusammenhänge aufmerksam machte, wurde ich gefragt, wie ich denn die Französische Revolution einordnen würde. Offensichtlich ging der Fragende davon aus, daß diese Revolution ein klassisches Wassermann-Ereignis darstellt und doch z.B. mit der Verkündigung der Menschenrechte eindeutig soziale Züge gezeigt hat. Der Fehler in der Überlegung liegt darin, daß unterstellt wird, als würde ein historisches Ereignis nur von einer einzigen Energie beherrscht. Auch in der Französischen Revolution waren (wie bei allen Ereignissen des Lebens) natürlich alle Energien des Tierkreises am Werk. Die soziale Seite wurde eben, trotz Wassermann-Dominanz, von der Fische-Energie beigesteuert.
Dasselbe gilt auch für Horoskope von typischen Wassermännern, die sich sehr für soziale Angelegenheiten engagiert haben. Karl Marx z.B. hat nicht nur einen Wassermann-AC und den Uranus am MC, sondern auch drei Planeten in den Fischen und Neptun im genauen Quadrat zu Pluto. Das erklärt sehr gut seine "Menschenfreundlichkeit", für die er die (wassermännische) Revolution in Anspruch genommen hat.
Waage-Energie
Auch der Venus als Göttin der "Liebe" tut man Unrecht, wenn man ihr die Bindungsfähigkeit des Skorpion andichtet. Die Waage-Energie bereitet eine Bindung vor, indem sie die Gemeinsamkeit zwischen Menschen durch einen Interessenausgleich ermöglicht. Deswegen ist sie ja auch die Energie der Politik, die mit "Liebe" nichts zu tun hat. Die Waage-Energie lockt mit Attraktivität, sie möchte gefallen. Dazu gehören solche Yang-Eigenschaften wie Schönheit, Freundlichkeit, Charme und Anmut, die aber alle noch nicht zu einer festen Beziehung (Liebe) führen. Die Waage hat gerade als Yang-Energie eine große Unverbindlichkeit, was ja auch der Grund für ihre oft kritisierte Entschlußschwäche ist. Menschen mit einer starken Waage-Betonung können eine ganze Nacht hindurch tanzen und flirten ohne auch nur im geringsten daran zu denken, sich irgendwie festzulegen. Sie würden heftig widersprechen, es auch nur auf eine "Liebelei" angelegt zu haben, geschweige denn auf eine Liebesbeziehung.
Vielleicht ist mit diesem letzten Beispiel endgültig deutlich geworden, wie gut die Begriffe von Yang und Yin geeignet sind, im Tierkreis für Ordnung zu sorgen. Schütze, Wassermann und Waage sind diejenigen Energien, die von den Astrologen besonders fehlerhaft beschrieben werden. Gelingt es nicht, hier zu klareren Vorstellungen zu kommen, dann werden natürlich auch alle Energie-Kombinationen, an denen diese Energien beteiligt sind, falsch interpretiert. Und damit steht die ganze Psychologische Astrologie auf unsicheren Füßen.
Es ist nicht ganz einfach, bei Begriffen wie Toleranz, Gerechtigkeit oder Bildung die komplizierten Energie-Mischungen zu erkennen. Alle wichtigen Worte einer Sprache sind immer Verbindungen mehrerer Tierkreisenergien, wobei in der Regel sowohl Yang- als auch Yin-Energien beteiligt sind. Bei "Bildung" z.B. ist auch die Schütze-Energie involviert, und zwar im Sinne einer dynamischen Suche nach Wissen und Erkenntnis, die oft durch weite Reisen ermöglicht wird. Aber die Erkenntnis selbst (im Sinne von Erarbeitung und Durchdringung eines Stoffes) ist eine Leistung der Jungfrau-Energie, oft in Verbindung mit der Wassermann-Energie, die die Jungfrau-Energie erregt und die Erkenntnis besonders kritisch und originell werden läßt. Wenn es sich um philosophische und religiöse Erkenntnisse handelt, dann kann eine solche Verinnerlichung nicht ohne die Fische-Energie erreicht werden. In der nebenstehenden Übersicht habe ich versucht, die Energiemischungen einiger wichtiger Begriffe zu klären.
Beispiele für Irrtümer bei Energieverbindungen:
Ehrgeiz
nicht einfach Steinbock, sondern Steinbock (Pflicht) + Wassermann (Besonderheit)
Trotz
nicht einfach Wassermann, sondern Wassermann (Eigensinn) + Fische (Sensibilität) + Krebs bzw. Mondknoten (Gefühl)
Gerechtigkeit
nicht einfach Waage und schon gar nicht Schütze, sondern Waage (Interessenausgleich) + Jungfrau (Einsicht) + Fische (Verinnerlichung)
Macht / Gewalt
nicht einfach Skorpion, sondern Skorpion (Bindung) + Steinbock (Autorität) + Wassermann (Freiheit) + Widder (Handlung)
(der Wassermann versucht auf diese Weise trotz seiner Bindung das Heft in der Hand zu behalten und bewahrt damit seine Freiheit)
Moral
überhaupt nicht Schütze, sondern Jungfrau (Einsicht) + Fische (Verinnerlichung) + Steinbock (Grundsätze) + Skorpion (Bindung)
Intrigen
nicht einfach Fische, sondern Fische (Heimlichkeit) + Wassermann (Eigensinn) + Jungfrau (Klugheit) + Zwillinge (Kommunikation) + Widder (Kampf)
Manipulation
nicht einfach Skorpion, sondern Skorpion (Bindung) + Wassermann (Freiheit) + Fische (Verborgenheit) + Jungfrau (Klugheit)
Engagement
nicht einfach Skorpion, sondern Skorpion (Intensität) + Schütze (Schwung, Elan)
(Skorpion allein hält sich mißtrauisch bedeckt)
Transformation
überhaupt nicht Skorpion, sondern Neptun (Loslassen) + Uranus (Veränderung)
(Skorpion hält fest und führt damit in die Krise. Neptun mit Uranus ermöglichen eine Umorientierung. Zur Transformation gehört aber das ganze Horoskop)
Freundschaft
nicht einfach Wassermann, sondern Waage (Sympathie) + Wassermann (Freiheit) + Skorpion (Bindung)
(Freundschaft ist eine Bindung mit Distanz)
Toleranz
überhaupt nicht Wassermann, sondern Steinbock (Norm) + Fische (Ideal) + Jungfrau (Einsicht) + Waage (Gemeinschaftssinn)
(Die Verbindung von Steinbock und Fische ermöglicht die Haltung der Gelassenheit)
Sonderling
nicht einfach Wassermann, sondern Wassermann (Besonderheit) + Fische (Sensibilität)
(ein Sonderling übertreibt die eigene Note aus einer hintergründigen Unsicherheit)
Die Darstellung des Tierkreises in Form einer Yang-Yin-Schwingung leistet auch in anderer Hinsicht gute Dienste. Sie kann uns z.B. darauf aufmerksam machen, daß die astrologischen Grundenergien fließend ineinander übergehen. Auch das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber sie wird von den Astrologen nicht wirklich ernst genommen. In der Konsequenz bedeutet sie nämlich, daß die Tierkreisabschnitte nicht wirklich getrennt sind. Die Striche zwischen den einzelnen Zeichen täuschen eine solche Trennung zwar vor, in Wirklichkeit gibt es sie aber nicht. An den Punkten, wo die Schwingung neutral zwischen Yang und Yin steht (also an allen Punkten 0° im Tierkreis), besitzt ein dort befindlicher Planet folglich die Eigenschaften beider benachbarten Tierkreiszeichen, und zwar jeweils zu 50%. Die 100% reine Energie findet sich an den Punkten 15° im Tierkreis.
Es gibt also weder "eingeschlossene Zeichen" noch den "Eintritt" in ein Zeichen, denn ein Planet springt nicht am Punkt 0° im Tierkreis gewissermaßen über eine Hürde in eine neue Energie, sondern der Übergang erfolgt ganz allmählich und unmerklich. Es beginnt lediglich langsam das Übergewicht der jeweils folgenden Tierkreis-Energie.
Das hier Gesagte gilt natürlich genauso für den Häuserkreis. Es ist meiner Meinung nach ein Unsinn zu behaupten, daß ein Planet erst 5 - 6° vor der Häuserspitze zum folgenden Haus gerechnet werden muß. Die Übergänge sind auch hier fließend. Also beginnt die folgende Energie bereits ab der Mitte zwischen zwei Häuserspitzen zu wirken.
Es ist auch nicht logisch, von einer dominanten Stellung einzelner Planeten zu sprechen, wenn sie sich an den Hauptachsen befinden. Ein Planet am Aszendenten hat gewissermaßen eine Konjunktion mit der Widder-Energie (AC), ein Planet am MC eine Konjunktion mit der Steinbock-Energie. Das ist alles. Die Energie ist an diesen Punkten quantitativ nicht stärker gestellt als sonst im Häuserkreis. Sie hat qualitativ eindeutig Widder- bzw. Steinbockcharakter. Stehen Planeten zwischen den Häuserspitzen, dann muß bei der Interpretation die entsprechende Mischung qualitativ berücksichtigt werden, sie darf aber nicht quantitativ als "Schwäche" gewertet werden.
Eine wirksame Dominanz gibt es im Horoskop nur im Aspektbild und in Form von Mehrfachverbindungen bestimmter Grundenergien.
Die Darstellung des Tierkreises als Yang-Yin-Schwingung hat sogar Auswirkungen auf die Vorstellungen von den Weltenzeiten, die sich durch die langsame Verschiebung des Frühlingspunktes am Fixsternhimmel ergeben (Präzession). Durch die Kreiselbewegung der Erdachse duchläuft dieser Frühlingspunkt den Tierkreis in umgekehrter Richtung in etwa 26.000 Jahren (Platonisches Jahr), so daß ungefähr alle 2000 Jahre ein neues Zeitalter mit einem eigenen astrologischen Charakter beginnt. Nach Ansicht der Astrologen stehen wir heute an der Schwelle des Wassermann-Zeitalters.
Es gibt aber auch hier einen fließenden Übergang, so daß sich die Energien von Fische und Wassermann am Anfang durchmischen. Deshalb hat sich der revolutionäre Geist des Wassermann zunächst in religiösen und philosophischen Veränderungen manifestiert. Das Wassermann-Zeitalter kündigte sich Mitte des 14. Jahrhundert mit der Rückbesinnung auf die Antike (Renaissance) in der Kultur der italienischen Adelsfamilien (z.B. Medici in Florenz) an. Die dieser Entwicklung folgenden geographischen Entdeckungen des 15. Jahrhundert standen noch ganz im Zeichen der christlichen Mission der neu entdeckten Länder, wenn auch die Praxis der Eroberer von Rücksichtslosigkeit und Habgier geprägt war. Das Wassermann-Zeitalter setzte sich fort im deutschen Humanismus, in der Reformation, in der Aufklärung und in der Französischen Revolution mit der Verkündung der Menschenrechte - alles Epochen bzw. Ereignisse, die neben der Wassermann-Energie auch noch den Geist der Fische-Energie bezeugen.
Erst in der Industriezeit zeigt sich die zunehmend dominant werdende Wassermann-Energie mit einem immer deutlicher werdenden materialistischen Gesicht. Es ist also falsch, wenn die Astrologen den Eindruck erwecken, als würde die Menschheit erst jetzt in das Wassermann-Zeitalter eintreten. Auch der Streit darüber, wann der genaue Eintritt in dieses Zeitalter erfolgt, ist völlig überflüssig.
Vielleicht habe ich Ihnen mit meinen Überlegungen deutlich machen können, daß eine an sich harmlose Veränderung, nämlich die Zeichnung des Tierkreises als Yang-Yin-Schwingung, in der Konsequenz doch erhebliche Auswirkungen auf die Gestalt der Psychologischen Astrologie bekommen kann.
Rolf Freitag, Schule für Psychologische Astrologie in Heiligenhaus, 2011
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