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Voraussage von Ereignissen?

Ein Aberglaube

Die alte (klassische) Astrologie rechnete fest damit, zukünftige Ereignisse aus dem Horoskop erkennen zu können. Die Psychologische Astrologie ist mit Voraussagen sehr viel vorsichtiger geworden und beschränkt sich zu Recht darauf, lediglich Trends aufzuzeigen, für die das Leben ganz unterschiedliche Ereignisse bereithalten kann.

Ich glaube nicht, daß konkrete Ereignisse vorausgewußt werden können.

Was hat die Klassische Astrologie früher dazu bewogen, aus dem Horoskop (bzw. aus Progressionen, Direktionen, aktuellen Transiten, Returns der persönlichen Planeten, Neumondstellungen usw.) Voraussagen machen zu wollen? Meiner Meinung nach sind es zwei Überlegungen:

Trotz manchmal stimmiger Prognosen kann man aber nicht von jeder Energiesituation im Horoskop unmittelbar auf ein dazu passendes Ereignis schließen. Die im Horoskop angezeigten Konstellationen sind Symbole und entsprechen darum einer Vielzahl denkbarer Ereignisse. Das gilt vor allem dann, wenn man die unterschiedlichen Manifestationsebenen mitberücksichtigt, auf denen sich eine astrologische Konstellation verwirklichen kann.

Eine Betonung des Schütze- und Fischezeichens beispielsweise lassen auf der körperlich-vitalen Ebene damit rechnen, daß dieser Mensch etwa gern romantische Reisen unternimmt. Er könnte aber auch auf der geistig-seelischen Ebene ein intuitiver Unternehmer sein. Auf der spirituellen Ebene wäre er ein Sinnsucher.

Der Astrologe kann nicht wissen, auf welcher Ebene der betreffende Mensch sein Horoskop lebt.

Hinzu kommt aber noch eine andere Erfahrung: Jeder, der sich mit Astrologie beschäftigt, erlebt immer wieder, daß wichtige Konstellationen oft gar nicht von entsprechenden Ereignissen begleitet sind. Wo sind in solchen Fällen die angezeigten Energien geblieben? Umgekehrt gibt es auch schwierige Lebenslagen, in denen einfach die dazugehörigen Energien dem HE nicht zur Verfügung stehen. Das sind widersprüchliche Erfahrungen, die gegen den Optimismus sprechen, daß eine innere Energiesituation immer mit einer äußeren Lebenssituation zusammenpaßt. In solchen Fällen erlebt der Mensch, daß er von einem glücklichen und befriedigenden Leben ausgesperrt ist. Er erfährt statt dessen Frustrationen und Leid und stellt sich wahrscheinlich die Frage, wie er damit umgehen soll.

Es sind mehrere Verhaltensweisen denkbar:

Niemand kann von außen wissen, wie dick die Mauern der Seele sind, die sich in der frühen Kindheit als Panzerung um falsche Verhaltensmuster gelegt haben, so daß diese nicht so leicht geändert werden können.

Unter Umständen müssen Progressionen und Transite sehr lange arbeiten, bis diese Mauern abgetragen sind. Erst dann kann eine neue Lebenssituation auch äußerlich sichtbar werden. Wenn der Mensch gesund werden will, braucht er in den Zeiten der Prüfung vor allem Geduld.

Die Psychologen sprechen in diesem Fall von Ich-Stärke und Frustrations-Toleranz. Damit wird ausgesagt, daß ein Mensch die Fähigkeit erworben hat, in schwierigen Lebenslagen in dem Bewußtsein durchzuhalten, daß es das Leben trotz im Augenblick vielleicht gegenteiliger Erfahrungen letztlich gut mit ihm meint. Diese Haltung ist aber nichts anderes als das, was die Christen als "Glaube" bezeichnen, also ein unerschütterliches Grundvertrauen in das Leben.

Der Christ weiß, daß es gerade die Absicht des Lebens (genauer gesagt: Gottes Vorsehung) sein kann, uns durch die (augenblickliche) Nichterfüllung bestimmter Energielagen (später) zu einem reicheren Leben auf einer tieferen Manifestationsebene zu führen.

Letztlich bleibt dem Menschen, wenn alle Wege versperrt sind (das wäre das Kreuz im Leben), immer noch die Wahl zwischen der totalen Leere, also dem Nichts (der Sinnlosigkeit), und der absoluten Fülle der Wirklichkeit Gottes, die ihm immer angeboten ist. Wählt er in einer solchen dramatischen Situation das Nichts, landet er in der Psychose (Nervenzusammenbruch / Depression), im anderen Fall macht er vielleicht eine spirituelle Erfahrung (Erleuchtung).

Auch wenn wir es uns nicht gern eingestehen, so gehen wir Astrologen oft stillschweigend von der Vorausetzung aus, daß das Leben uns das Glück schuldig ist. Das ist der moderne Aberglaube des Wassermann-Zeitalters. Wir brauchen uns nur in der Welt umzusehen, um zu erkennen, daß der weitaus größte Teil der Menschheit in der Gegenwart (und in der uns bekannten Vergangenheit) von diesem "Glück" offensichtlich ausgeschlossen ist und war. Das kann man nicht immer damit erklären, wie es z.B. die Esoterik versucht (Dethlefsen), daß die Menschen an ihrem Unglück selbst schuld sind, weil sie ihr Lernpensum noch nicht erledigt haben. Es gibt auch echtes, nicht verdientes Unglück.

Die Astrologen waren stets in der Versuchung, dem Glück mit ihren Prognosen und Ratschlägen auf die Sprünge zu helfen. Dem Leben selbst geht es jedoch um etwas ganz anderes: Letztendlich soll die verloren gegangene Verbindung zur Transzendenz, also zu dem göttlichen Grund im Inneren des Menschen, wiederhergestellt werden - gegen die menschliche Eigenmächtigkeit! Das ist die Weisheit der Religion.

Wir Menschen haben dabei jeder einen ganz eigenen Weg nach innen zu gehen, der uns mit einem letztlich unbegreiflichen Schicksal konfrontiert. Der zeitweise Widerspruch zwischen den inneren Energielagen, wie sie das Horoskop mit seinen Progressionen und Transiten beschreibt, und den äußeren Lebenssituationen, die uns immer wieder überraschen und herausfordern, wird damit zu dem unentbehrlichen Zuchtmittel, ohne das wir uns nicht auf den Weg machen würden.

Es kann durchaus sein, daß wir im Leben nach menschlichen Maßstäben nicht sonderlich glücklich werden und trotzdem den Sinn unseres Lebens erfüllen, indem wir gerade im geduldigen Ertragen unseres Unglücks bzw. auch im Verzicht auf ein verbotenes Glück unserem inwendigen göttlichen Grund begegnen.

Die Ablehnung konkreter Ereignisvoraussagen, die immer das (allzu menschliche) Glück herbeizwingen wollen, wäre der Beitrag einer Psychologischen Astrologie, die diese Wahrheit anerkennt.

Rolf Freitag, Schule für Psychologische Astrologie in Heiligenhaus, 2011

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